Joachim Mohr Mathematik Musik
Lektion 1 Lektion 2 Lektion 3 Lektion 4 Lektion 5 Lektion 6 Lektion 7 Lektion 8 Lektion 9
Kurzfassung: Das Centmaß
Weiter mit Lektion 5 Die gleichstufige Stimmung
4. Lektion: Das Centmaß für Intervalle
Kurzgefasst wird im Folgenden erklärt:
Als Einheit wählen wir die Oktave und ihre Untereinheit Cent. Wir zählen dann die Oktaven, die ein Intervall umfasst:
1 Oktave = 1200 Cent
2 Oktaven = 2400 Cent
3 Oktaven = 3600 Cent
...
Jedes Intervall kann als Vielfaches der Oktav dargestellt
werden.
Bekanntermaßen sind angenähert 12 Quinten = 7 Oktaven.
Also ungefähr: Qui=7/12 Ok = 700 Cent (genau 702 Cent. Berechnung folgt später).
Die Oktave wird in 1200 Cent (12 Halbtöne) unterteilt:
1Ok = 1200Cent, 1 Halbton=1/12Ok = 100 Cent.
Der Zusammenhang Frequenzverhältnis zu Intervall ist ein
logarithmischer.
Die
Centangabe wird vorteilhaft bei Verstimmungen
verwendet. Grob gesagt:
- Abweichung bis 10 Cent - wie bei mitteltönigen
Stimmungen, bei denen nur C-Dur nahe Akkorde verwendet
werden, bringen im Vergleich zur reinen Stimmung Farbe in die
Musik.
- Mit 15 Cent Abweichung hat man sich schweren Herzens
abgefunden. Anders könnte man auf Tasteninstrumenten
nicht alle Tonleitern spielen.
- Fürchterlich klingen Verstimmungen um die 40 Cent
(ein Fünftel eines Ganztones) wie zum Beispiel beim
"Wolf" bei der ansonsten so herrlichen mitteltönigen
Stimmung, bei Cis-Des oder bei
As-Fis.
Die Verwendung des Centmaßes von Intervallen in der Musiktheorie
Intervalle kann man als Vielfache von einer Oktave angeben. Es handelt sich dabei um ein logarithmisches Maß der Frequenzverhältnisse.
Cent ist eine Untereinheit der Oktave mit der Definition ''1200 Cent = 1 Oktave'' (oder ''1 gleichstufiger Halbton = 100 Cent'').
Hiermit ist ein sehr genauen Vergleich der Intervallgröße möglich. Das Centmaß ist proportional zur Intervallgröße,
während das Frequenzverhältnis sich exponentiell verhält.
Beachte: Löst man die Exponentialgleichung q=2
k nach k auf, so benötigt man den Logarithmus k=log
2(q)
zur Basis 2.
Werden Intervalle hintereinander ausgeführt, kann man ihre Größen in Cent
addieren (während ihre Frequenzverhältnisse multipliziert werden müssen).
Beispiel:
Quinte + Quarte = 702 Cent + 498 Cent = 1200 Cent = Oktave.
(Frequenzverhältnisse: 3/2·4/3 =
2/1.)
Kleine Terz + große Terz = 316 Cent + 386 Cent = 702 Cent = Quinte.
(Frequenzverhältnisse: 6/5·5/4 =
3/2.)
Nun Ausführlich:
In unserer Vorstellung haben zwei gleiche Oktaven,
allgemein zwei gleiche Intervalle, immer denselben Abstand.
Wir sprechen von 1, 2, 3 Oktaven u.s.w. Die
Frequenzverhältnisse sind jedoch 2, 4, 8 u. s. w.
Veranschaulichung der Frequenzverhältnisse im Gegensatz zu
unserer Vorstellung:
Maßstab: Frequenzen:
Interpretation:
-1Ok: Eine Oktave tiefer (Frequenzverhältnis 1:2)
0Ok: Prim (Frequenzverhältnis 1:1)
1Ok: Eine Oktave höher (Frequenzverhältnis 2:1)
2Ok: Zwei Oktaven höher (Frequenzverhältnis 4:1)
3Ok: Drei Oktaven höher (Frequenzverhältnis 8:1)
Maßstab: Unser Höreindruck (das
Weber-Fechnersche Gesetz):
Mit der Bezeichnung: lb ist der Logarithmus zur Basis 2 und der
Feinunterteilung: 1Ok = 1200Cent
Intervall =
lb(Frequenzverhältnis)·Ok
y
= lb(x)Ok = lb(x)·1200Cent
(Das Intervall y als Teil der Oktave Ok in Abhängigkeit
vom Frequenzverhältnis x)
Zum Beispiel ist das
Frequenzverhältnis von 3 Okaven x=2·2·2=2
3 =8 und damit das Intervall
y=lb(8)Ok=3Ok (muß ja so sein!).
Begründung:lb(8) ist der Zweierlogarithmus von 8, also die
Zahl, mit der ich zwei potenzieren muß, um 8 zu erhalten,
somit lb(8) = 3. Der Zweierlogarithmus macht das Potenzieren
rückgängig.
Allgemein ist der Zweierlogarithmus lb(x) als die Zahl
definiert, mit der man zwei potenzieren muß, um x zu
erhalten:
y=lb(x) 〈=〉 2
y = x
Der Zweierlogatithmus und die Potenzen zur Basis 2 sind als
Funktionen betrachtet
Umkehrfunktionen von einander.
Ausführlicher: siehe
Einführung in den Logarithmus.
Jedes Intervall wird nun auf die Oktav bezogen mit dem Maß
Cent.
Zum Beispiel:
1 Ok = 1 200 Cent
2 Ok = 2 400 Cent
3 Ok = 3 600 Cent
...
Das Frequenzverhältnis von einer, von zwei, von drei, ...
Oktaven ist 2,4,8 ...
Mit den Beziehungen 1 = lb(2), 2 = lb(4), 3 = lb(8), ...
können wir deshalb auch schreiben:
1 Ok = lb(2)·1200 Cent
2 Ok = lb(4)·1200 Cent
3 Ok = lb(8)·1200 Cent.
Die übrigen Intervalle berechnen sich dann entsprechend:
3
Qui = lb(-)·1200 Cent = 702 Cent
2
4
Qua = lb(-)·1200 Cent = 498 Cent
3
...
Bemerkung:
In der gleichförmigen Stimmung mit dem Halbton h = 100
Cent gilt:
Qui(gleichstufig) = 7 h = 700 Cent und
Qua(gleichstufig) = 5 h = 500 Cent.
Die feinen Unterschiede zwischen reiner und gleichstufiger
Stimmung werden in Lektion 5 erklärt.
Noch ein Beispiel:
gT = lb(5/4)Ok = 0,321 928Ok = 0,321 928·1200 Cent = 386
Cent
Mit gT = 0,321 928Ok wird zum Ausdruck gebracht:
Die große Terz ist das 0,321 928-Vielfache der Oktave.
Grob abgeschätzt: Die
große Terz ist
ungefähr
ein Drittel einer Oktav, da drei
große Terzen aufeinandergetürmt ungefähr eine
Oktave ergeben.
Da 1 Oktave = 1200 Cent umfaßt, ist mit dem feinen
Maß Cent ausgedrückt:
gT = 0,321 928·1200 Cent = 386 Cent (gerundet).
Der große Nachteil ist, dass die Reinheit von Intervallen,
deren Frequenzverhältnis einfache Verhältnisse sind,
in der Centschreibeweise nicht erkennbar ist, der Vorteil ist
ihre gute Vergleichbarkeit.
Bemerkung: In dem Werk "Teilung des Kanons" (siehe
6. Lektion) addiert Euklid die Intervalle
Qua+Qui=Ok und bemerkt dazu, dass dies der Multiplikation der
Verhältnisse (4:3)·(3:2) = (2:1) entspricht.
Er wußte auch, dass die Qui ungefähr der 7/12-te Teil
der Oktave ist (12 Quinten fast gleich 7 Oktaven). Er kannte
noch keine Dezimalzahlen (7/12=0,583) und noch
keine Logarithmen (lb(3/2)=0,585).
Wenn wir Qua + Qui = 498 Cent + 702 Cent = 1 200 Cent, oder
etwas genauer Qua+Qui=498,044 999 135 Cent + 701,955
000 865 Cent = 1 200 Cent, schreiben, wird nicht einmal
erkennbar, dass das zugehörige Zahlenverhältnis
rational ist.
Die Probe:
498,044 999 135 Cent 498,044999135/1200
2 = 2 = 1,333 333 333
zeigt uns ebenfalls nicht mit absoluter Sicherheit, dass das
Verhältnis 4/3, also die Quart, dahinter steckt.
Vom Höhren her ist Qui=lb(3/2)Ok (Interpretation Qui =
0,585-te Teil der Oktave) nicht nachvollziebar, da lb(3/2)
irrational ist. Das heißt: Es gibt kein gemeinsames
kleineres Intervall, dessen Vielfaches die Oktave und ein
anderes Vielfaches die Quinte ist.
Allgemein gilt: Vom Hören her kann man Intervalle nicht
beliebig teilen. Ich kann nur feststellen, ob Vielfache eines
Intervalls größer als Vielfache eines anderen
Intervalls sind und damit Intervalle äußerst genau
vergleichen.
Durch die geniale pythagoreische Zuordnung von Intervallen zu
Verhältnissen wurde die Vergleichbarkeit
mathematisiert.
Auch für uns "moderne" Menschen ist die Aussage Qui =
lb(3/2)Ok unwesentlich. Wir können damit allenfalls
musikalische Aussagen besser nachrechnen.
Berechnung von Frequenzverhältnissen
Wie kann ich nun
umgekehrt aus
Intervallen als Teil der Oktave die Frequenzverhältnisse
wieder berechnen?
1. Beispiel: Welches Frequenzverhältnis x hat das
Intervall y=7 Oktaven?
Lösung: Wir müssen die Gleichung y=lb(x)=7 nach x
auflösen.
Erinnern wir uns:
y=lb(x) 〈=〉 2
y = x. Auf unser Beispiel
angewandt: 7=lb(x)〈=〉2
7=x.
Somit gilt für das Frequenzverhältnis x von 7
Oktaven: x = 2
7=128.
2. Beispiel: Welches Frequenzverhältnis x hat das
Intervall y = gT = 0,322Ok?
0,322 4
Lösung: lb(x)=0,322 〈=〉 x=2 =1,25 = -
5
(Frequenzverhältnis der großen Terz).
Wir haben hier mit Näherungswerten gerechnet. Die exakte Rechnung lautet:
5
lb(-)
5 4 5
y=lb(-) = lb(x) => x =2 = - .
4 4
y lb(x)
Allgemein gilt: lb(2 ) = y und 2 = x.
3. Beispiel Wir wiederholen das 2. Beispiel, diesmal
jedoch im Centmaß:
Welches Frequenzverhältnis x hat das Intervall y = gT =
386Cent?
Lösung: Wir müssen zunächst durch 1200
dividieren, da 1Ok = 1200 Cent sind.
386
y=lb(x)Ok=lb(x)·1200Cent=383Cent => lb(x) = ———— = 0,322
1200
0,322 5
und damit wieder x = 2 = 1,25 = -
4
Allgemein:
Aus dem Centmaß y = lb(x)·1200 Cent berechnet sich
das Frequenzverhältnis über die Umformung
y
—————————
y 1200 Cent
lb(x) = ———————— zu x = 2
1200Cent
Beisspiel:
702
————
1200
a) y = 702 Cent => x = 2 = 1,500 038
3
Ohne Rundungsfehler wäre x = -,
2
also y = reine Quinte.
b) y = 400 Cent (die große Terz bei der gleichstufigen Stimmung)
400 1
———— -
1200 3
=> x = 2 = 2 = 1,25992 (auf 5 Dezimalen gerundet)
Das Frequenzverhältnis ist irrational, kann also nicht als Bruch angegeben werden.
Musikalische Einführung in den Logarithmus
Da das n-fache von Intervallen die n-te Potenz von Frequenzverhältnissen entspricht, kann man "musikalisch" den Logarithmus einführen.
Weiterlesen:
Überlegungen zum
Zweierlogarithmus für Mathematiker und Informatiker.
Weiter mit ...
- Lektion 1 Töne, Intervalle, Frequenzen und Frequenzverhältnisse
- Lektion 2 Hintereinanderausführung zweier Tonschritte. Reine Stimmung
- Lektion 3 Beschreibung von Tonsystemen ohne Akustik
- Lektion 4 Das Centmaß für Intervalle
- Lektion 5 Die gleichstufige Stimmung
- Lektion 6 Das pythagoreische und syntonische Komma
- Lektion 7 Eulersches Tonnetz - Modulationen
- Lektion 8 Mitteltönige und wohltemperierte Stimmungen
- Lektion 9 Der Akkord der 2. Stufe, die Kommafalle, der neapolitanische Sextakkord und die Doppeldominante