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Olaf Tamaschke

Schwäbische Tagblatt Tübingen, 18.07.2020

tamaschke1983
Als im Jahr 2000 der damalige deutsche Bundespräsident Johannes Rau in einem griechischen Bergdorf auf der Peloponnes einen Kranz niederlegte, war auch ein Tübinger gedanklich dabei. Der Mathematikprofessor, Olaf Tamaschke hatte sich jahrelang dafür eingesetzt, dass das, was am 13. Dezember 1943 in Kalavrita geschehen war, von der deutschen Öffentlichkeit wahrgenommen wurde.

Es war eine sehr späte Geste der Sühne, zu der Bundespräsident im Jahr 2000 aufgebrochen war. Und 57 Jahre mussten vergehen, bis das Massaker, das die deutsche Wehrmacht in dem griechischen Dorf angerichtet hatte und das in seiner Grausamkeit kaum zu überbieten war, von einem deutschen Staatsoberhaupt offiziell wahrgenommen wurde. Olaf Tamaschke, damals 73 Jahre alt, hatte lange auf diesen Moment hingearbeitet und gehofft. Als Griechenland-Tourist war er eher zufällig auf das Schicksal des Dorfes Kalavrita gestoßen, in einem englischen Reiseführer hatte er gerade mal die Andeutung von einem „...Massaker deutscher Besatzungstruppen...“ gelesen. In der deutschen Ausgabe des gleichen Buches aus dem Jahr 1978 fehlte dieser Hinweis.

Tamaschke machte sich auf die Reise und erfuhr von den Einheimischen die unglaubliche Geschichte dahinter. Griechische Partisanen hatten in den Bergen der Peloponnes einen deutschen Spähtrupp mit 80 Soldaten getötet, nachdem die deutschen Besatzer einen Gefangenenaustausch abgelehnt hatten. Die Nationalsozialisten legten daraufhin das Dorf Kalavrita in Schutt und Asche. In einem fünfstündigen Massaker erschossen sie sämtliche männlichen Bewohner.

Olaf Tamaschke reiste nicht nur einmal nach Kalavrita. Fortan zeigte er alljährlich am Gedenktag des Massakers vom 13. Dezember seine Anteilnahme, nahm an den Veranstaltungen dort teil und vergaß nie, auch einen persönlichen Kranz niederzulegen. Er wurde so zu einem geschätzten Gast und Freund. Seine Scham angesichts der Gräueltaten der Nationalsozialisten blieben jedoch lange Zeit eine große Ausnahme. Eine offizielle Geste der Bundesrepublik oder den Versuch einer materiellen Wiedergutmachung blieben aus. So war Olaf Tamaschke eben lange der einzige Botschafter, der für ein anderes Deutschland sprach, das diese Vergangenheit nicht verdrängte und sich zu seiner Schuld bekannte. Olaf Tamaschke, ein vielseitig interessierter Mathematiker, der seit den sechziger Jahren und bis zu seinem Ruhestand 1992 in Tübingen die Anwendungen der Gruppentheorie an der Universität lehrte, ist am 29. Juni im Alter von 92 Jahren gestorben.