Joachim Mohr   Mathematik Musik Delphi
Dies und das
Doppeladler

Rottenburg am Neckar und Vorderösterreich



Manchmal denke ich, der Allmächtige hat sich schon was gedacht, als er die Katholiken erschuf.
Joachim Gauck (Protestant) über Rottenburg

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Flussaufwärts des Neckars kommt hinter Stuttgart, der Landeshauptstadt Baden-Württembergs, die Universitätsstadt Tübingen, nach wenigen Kilometern Kilchberg und die schöne historisch interessante Römer- und Bischofsstadt ↑Rottenburg eingerahmt von der Wurmlinger Kapelle und Schwäbischen Alb

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1. Bild: Das Kapuzinertor 2. Bild: Der "Stanis" (Benannt nach Stanislaus Stein, dem Wirt in österreichischer Zeit. Besucher der "Stanis-Emma" - gestorben 1997 im Alter von 105 Jahren -, waren schon Tschou-en-Lai, der spätere chinesische Ministerpräsident und Romano Guardini, der Religionsphilosoph.)

Rottenburg hat sich unter Erzherzog Albrecht VI von Habsburg (1418-1463), dem Bruder Kaiser Friedrichs III als Residenzort der "Vorlande" neben Freiburg (seit 1368 den Habsburgern unterstellt) ausgebildet. Albrechts Herrschaftsmittelpunkt war Freiburg.


mechthild mechthild Der Lebensmittelpunkt seiner Gemahlin - Mechthild von der Pfalz (1419-1482) - war Rottenburg.

Mechthild wurde schon mit acht Monaten mit dem Grafen Ludwig von Württemberg verlobt. Nach dem Tod Ludwigs heiratete sie 1452 bei einer glanzvollen Fürstenhochzeit in Böblingen den Kaiserbruder Albrecht. Dadurch wurde sie zur zweitvornehmsten Frau im Reich. Und: Sie nütze diese einflussreiche Rolle vor allem bildungspolitisch. Mechthild -Albrecht an Intelligenz überlegen, "Fürstin mit hohem Sinn und wahrer Minn" (nach Hermann von Sachsenheim)- unterhielt in Rottenburg von 1454 bis 1482 einen Musenhof mit zahlreichen bedeutenden Literaten und Künstlern. (Berühmt sind die 16 Translationen wie z.B. der Boccaccio.) Im Jahre 1473 stiftete sie eine Orgel für St. Martin. (St. Moriz besaß schon seit 1364 eine Orgel.)

Mechthilds Gemahl Albrecht gründete 1457 die Universität Albertina in Freiburg. Ihrem Bildungsdenken ist es wohl auch zu verdanken, dass ihr Sohn Eberhard im Bart als Graf und späterer Herzog von Württemberg die Eberhard-Karls-Universität in Tübingen mit dem Ruf "Attempto!" ("Ich wag's"!) 1477 gründete. Erst sie habe Württemberg, das bis dahin ein Staatsgebiet ausgesuchter Haudegen gewesen sei, Feingefühl und einen Sinn für Bildung beigebracht (nach Gerhard Raff, Degerlocher Landeshistoriker).
Garb von mechthild in der Tübinger Stiftskirche Bildbeschreibung:
In der Stiftskirche Tübingen gibt es mittelalterliche Glasfenster aus der Straßburger Werkstatt Peter Hemmel von Andlon, die um 1477 hergestellt wurden. Auf zwei Fenstern ist die Mechthild dargestellt:
Links oben im roten Gewand neben der Margarethe Württemberger, ihrer Enkelin.
Rechts oben im schwarzen Gewand.
Ebenfalls in der Stiftskirche Tübingen ist ihr Grabmahl mit einem für die damalige Zeit ganz ungewöhnlich ausdrucksstark gestaltetem Gesicht.

Am 29.09.2002 wurde in Böblingen, wo Gräfin Mechthild am 29. September 1452 Erzherzog Albrecht heiratete, ihr zu Ehren, ein Denkmal enthüllt (Hannsmartin Decker-Hauff: "Die hat die G'scheitheit nach Württemberg gebracht!")

Seit wann ist Rottenburg mit der Grafschaft Hohenberg eines der Zentren Vorderösterreichs?

Um 1240 heiratete Graf Rudolf von Habsburg (1273 König) die Gräfin Gertrud von Hohenberg, die spätere Königin Anna (gest. 1281). Das Schicksal Rottenburgs wurde mit dem der Habsburger endgültig 1381 mit dem Verkauf der Grafschaft Hohenberg an Herzog Leopold III von Österreich verknüpft.

1386 Schlacht von Sempach: Das Fußvolk der Eidgenossen besiegte grandios das Ritterheer Leopolds. (Dieser und seine Ritter fielen oder erlagen - unbeholfen in ihrer Rüstung, von Ihren Knappen verlassen - dem Hitzschlag.)

1414-1418 Konstanzer Konzil: Herzog Friedrich IV von Österreich verhalf dem abgesetzten Papst Johannes XXIII 1415 zur Flucht. Sigesmund (1433 Kaiser, Schwiegervater Albrecht des II von Österreich) verhängte über ihn die Reichsacht: Das von den Habsburgern aufgebaute Territorium in den "Vorlanden" zerfiel noch mehr. (Unter anderem: Der schwäbische Adel löste sich von Habsburg.) Friedrich wurde jedoch nicht völlig aus Südwestdeutschland verdrängt: Tirol und das Herrschaftsgebiet der Hohenberger (mit Rottenburg) sowie Freiburg, Gebiete im Elsaß und Burgau u.s.w. konnte Friedrich zurück erwerben.

Übrigens: Der erwähnte Albrecht II von Österreich wurde 1438 deutscher König. Die Habsburger behielten bis zum Ende des alten Reiches 1806 die Königswürde. Bis dahin gehörte Rottenburg zum Herrschaftsgebiet des königlich-kaiserlichen Doppeladlers. 1445 übertrug Kaiser Friedrich III Erzherzog Albrecht IV von Habsburg die Regentschaft in den "Vorlanden". Albrecht residierte in Freiburg, seine Gemahlin Mechthild bei ihrem Musenhof in Rottenburg.

1527 (10 Jahre nach Martin Luthers Thesenanschlag) wurde Michael Sattler in Rottenburg auf dem Scheiterhaufen verbrannt, seine Frau Margaretha im Neckar ertränkt.

Michael Sattler (geb.1490) war zuerst Prior des Benediktinerklosters St. Peter in der Nähe Freiburgs, dann Humanist und radikaler Reformator, Pazifist, Begründer der Rottenburger Täufergemeinde und wurde einer der führenden Köpfe des süddeutsch-schweizerischen Täufertums, bekannt als geistiger Urheber des Schleitheimer Täuferbekenntnisses,

Insgesamt wurden in Rottenburg innerhalb von 10 Jahren 900 Täufer hingerichtet.
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Gedenkstein und -Tafel für Michael und Margaretha Sattler auf dem "Hochrericht" beim "Galgenfeld".
Die Initiative "Gedenken an Michael Sattler" wird getragen von der Ev. Kirchengemeinde Rottenburg, der AG Mennonitischer Gemeinden in Deutschland, dem Deutschen Mennonitischen Friedenskomitee, dem Mennonitischen Geschichtsverein, der Mennonitengemeinde Reutlingen und vom VdM.

Landkarte Galgenfeld

Text der Tafel

DER TÄUFER MICHAEL SATTLER WURDE AM 20. MAI 1527 NACH SCHWEREN FOLTERUNGEN HIER AM "GALGENBUCKEL" DURCH VERBRENNEN HINGERICHTET. ER STARB ALS AUFRECHTER ZEUGE JESU CHRISTI. SEINE FRAU MARGARETE UND ANDERE GEMEINDEGLIEDER WURDEN ERTRÄNKT UND VERBRANT. SIE TRATEN EIN

FÜR DIE TAUFE DERER, DIE CHRISTUS NACHFOLGEN WOLLTEN
FÜR EINE UNABHÄNGIGE GEMEINDE DER GLAUBENDEN
FÜR DIE FRIEDENSBOTSCHAFT DER BERGPREDIGT.

MICHALE SATTLERS LETZTE WORTE BEI DER URTEILSVERKÜNDUNG: "...ICH BIN NICHT GESANDT, ÜBER DAS WORT GOTTES ZU RECHTEN. WIR SIND GESANDT, DAVON ZU ZEUGEN. DESHALB WERDEN WIR UNS UNTER KEIN ANDERES RECHT BEGEBEN...SO WIE WIR UNS ABER DEM GERICHT NICHT ENTZIEHEN KÖNNEN, SIND WIR BEREIT, UM DES WORTES GOTTES WILLEN ZU LEIDEN, WAS UNS ZU LEIDEN AUFERLEGT IST."

Mehr bei Wikipedia und Elisabeth Schröder-Kappus / Wolfgang Wagner: Michael Sattler. Ein Märtyrer in Rottenburg (1490–1527).

Schon 1301 wird eine Lateinschule in Rottenburg erwähnt. Ein Leiter dieser Schule war Jakob Mennel, der spätere kaiserliche Hofhistoriograph, der Kaiser Maximilian I im Jahre 1518 die berühmte "Fürstliche Chronik" überreichte. Ein Schüler der Lateinschule war der spätere Theologe Johann Eck, bekannt durch seine Streitgespräche mit Martin Luther. 1649 gründeten die Jesuiten ein Gymnasium und 1669 ein Lyzeum mit - dank des angeschlossenen Internats - 100 Schülern.

Sowohl die Lateinschule als auch das Jesuitenkolleg fiel 1773 den josephinischen Reformen zum Opfer.

Nach der Reformation: Vorderösterreich - und damit Rottenburg - bleiben oder sind wieder katholisch. Damit Einführung des heute gültigen gregorianischen Kalender am 15.10.1582. (Die Württemberger blieben noch über 90 Jahre beim alten Kalender mit dem Frühlingsanfang am 11. März statt am 21. März, obwohl Johannes Kepler schon 1597 dafür eintrat, aber sein Tübinger Lehrer Mästlin war dagegen. "Die Welt werde ja doch bald untergehen").

Nebenbei bemerkt: Im Rottenburger Diözesanmuseum findet man ein Kalenderwerk des Magisters Heinrich Soldn aus dem frühen 15. Jahrhundert. Der Kalenderforscher Karl Mütz aus Tübingen entdeckte, dass dieses Werk die gregorianische Kalenderreform vorwegnahm.

Dreißigjähriger Krieg und der Westfälische Friede...Auseinandersetzungen Habsburg mit dem Haus Bourbon (1648-1756)...die theresianische-josephinischen Reformen ...

Im 18. Jahrhundert war der Flickenteppich Vorderösterreich ein vorzüglich organisiertes Territorium (ca. 8500 qkm mit 400 000 Einwohner. Im Vergleich dazu Württemberg ca. 8000 qkm mit 650 000 Einwohner) mit Mittelpunkt Freiburg und weiteren Zentren: Konstanz, Villingen, Waldshut, Günzburg, Ehingen und Rottenburg.

Nach den napoleonischen Kriegen kam mit dem Frieden zu Preßburg (26.12.1805) das katholische Rottenburg zu "Luthers Spanien", wie man das stockprotestantische Württemberg bis dahin nannte... (Heute herrscht in Rottenburg ein ausgesprochen ökumenischer Geist.)

Nebenbei bemerkt: Rottenburg feierte dieses Eingliederung nie. Nur Neuhausen auf den Fildern feierten. Aber sie kamen ja von Baden an Württemberg.

Das Chorherrenstifts St. Moriz, des Karmeliter- und des Kapuzinerklosters werden geschlossen. Dafür baute nach dem Zuzug von meist evangelischen württembergischen Landesbeamten (viele Vollzugsbeamten des neu errichteten Gefängnisses am Rande der Stadt) die Obrigkeit 1856 für diese eine evangelische Kirche und ein Pfarrhaus.

8000 neue Gesetzte regelten den Alltag der württembergischen Untertanen und sorgten für Eisenbahn(1861)-, Telegrafen-, Wasser und Elektrizitätsanschlüsse.


Dies war kurzgefasst die 425 Jahre Stadtgeschichte ab dem 26. Oktober 1381, bei dem die Habsburger die Grafschaft Hohenberg kauften, bis zum Oktober 1806, an dem die vorderösterreichische Ära mit der Einverleibung Rottenburgs in das württembergische Königreich zu Ende ging.

Zur weiteren Entwicklung des württembergischen Rottenburgs zum Sitz des katholischen württembergischen Bischofs 1828 sowie zu Sumelocenna, dem römische Rottenburg, und zu bedeutenden Persönlichkeiten siehe folgende Links:


Links mit Bezug zu Rottenburg am Neckar

Der Sebastian-Blau-Weg in Rottenburg von K.M.
↑Stadt Rottenburg am Neckar