Joachim Mohr   Mathematik Musik Delphi

Parakompakte und vollnormale Räume

Diplomarbeit von Joachim Mohr, 1969 Hamburg

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Diplomarbeit angefertigt unter Leitung von Hel Braun
hel_braun
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Stud. in Marburg

Inhaltsverzeichnis

Konventionen und Bezeichnungen 6
1. Einleitung 7
2. Parakompakte Räume 13
3. Vollnormale Räume 24
4. Vollnormalität und Pseudometrisierbarkeit 27
5. Der Satz von A. H. Stone 36
6. Weitere Metrisierbarkeitssätze 40
7. Parakompakte und lokalkompakte Räume 46
8. Lokale Eigenschaften vollnormaler Räume 48
9. Partition der Eins 52
Literaturverzeichnis 56

Konventionen und Bezeichnungen (Auszug)

Ein topologischer Raum E (allgemein, regulär oder normal usw.) ist nicht notwendig hausdorffsch.
A¯ ist die abgeschlossene Hülle von A, A° der offene Kern von A.
Umgebungen und Überdeckungen sind nicht notwendig offen.

Einleitung

In dieser Arbeit werden Klassen von topologischen Räumen betrachtet, in denen man aus einer gegebenen Überdeckung in gewisser Weise eine neue Überdeckung bilden kann, indem man die Elemente der gegebenen Überdeckung zerlegt und neu zusammenfaßt, d.h. "verfeinert", Diese neue Überdeckung wird aus der Sicht eines Punktes x ("lokal") beurteilt. Bei parakompakten Räumen ist sie "lokalendlich", d.h. induziert sie in einer passenden Umgehung von x eine endliche Überdeckung; bei vollnormalen Räumen sind alle Elemente von ihr, in denen x liegt, zusammen in einem Element der gegebenen Überdeckung enthalten.

P.S.Alexandroff (1960) schreibt über die parakompakten Räume: "Die Klasse der parakompakten Raume ist sehr wahrscheinlich die wichtigste Klasse von topologischen Räumen, die in den letzten Jahren definiert wurde." (Den Begriff "lokalendlich" führte P. S. Alexandroff 1924 ein, "parakompakt" J.Dieudonné 1944 und "vollnormal" J. Tuckey 1940.

Unter diesem Gesichtspunkt lohnt es sich,die Eigenschaften parakompakter und vollnormaler Räume zu untersuchen.Die vorliegende Arbeit will einen Überblick darüber geben.

Den folgenden beiden Punkten wird besondere Aufmerksamkeit gewidmet:
I)Die parakompakten Räume lassen sich durch -wie es scheint- ganz verschiedene Eigenschaften charakterisieren, Die wichtigste davon ist die Vollnormalität. Eine Absicht dieser Arbeit ist es, diese Eigenschaften in eine bessere logische Ordnung zu bringen. Z.B.fand ich den wichtigen Satz von A.H.Stone (vollnormal => parakompakt) nur für hausdorffsche oder reguläre Räume bewiesen. Allgemein gilt jedoch (Ich fasse hier gleich die übrigen Eigenschaften zusammen):

In einem topologischen Raum E sind folgende Aussagen äquivalent:
a) E ist normal und parakompakt.
b) Jede offene Überdeckung von E besitzt eine abgeschlossene lokalendliche Verfeinerung.
c) E ist vollnormal.
d) Jede offene Überdeckung besitzt eine Verfeinerung, deren Elemente in einer gröberen pseudometrisierbaren Topologie liegen.

Bemerkungen:
1) Man beachte: In parakompakten Räumen gilt: hausdorffsch =>regulär => normal
2) In L.Hadard (1968) wird die Gleichwertigkeit von a) und c) angekündigt, aber nicht bewiesen.

Bei den Anwendungen eignet sich der Begriff des parakompakten Raumes wenig ohne zusätzliche Voraussetzungen (Viele Autoren nennen einen Raum deshalb nur dann parakompakt wenn er auch hausdorffsch ist (z.B. J.Dieudonné 1944 oder regulär (z.B. J.R.Kelley 1955). Mir scheint, dass als zusätzliche Eigenschaft normal genügt. Wegen der Äquivalenz a) <=> c) spreche ich, falls ich zur Parakompaktheit noch zusätzlich die Normalität voraussetzen muß, von vollnormalen Räumen.

II) Das Studium der vollnormalen Räume führte zu einem tieferen Verständnis der togologischen Eigenschaften (pseudo-)metrischer Räume. Aus der Eigenschaft d) erkennen wir, welche Rolle eine Metrik für vollnormale Räume spielt. Andererseits rührt wohl ein großer Teil der Anschaulichkeit Metrischer Räume von der Eigenschaft her, dass sie vollnormal sind (vgl. die Ausführungen bei (5.4)).

Als man die topologischen Räume als Verallgemeinerung der metrischen Räume, als die Invariante bezüglich der Homöomorphismen definierte, entstand natürlich die Frage: Wie stark ist die Verallgemeinerung? Und: Wenn in einem metrischen Raum nur die topologischen Eigenschaften ein Problem (z.B. die Dimension) berühren, kann man ihn dann nicht besser durch topologische Eigenschaften als durch eine Abstandsfunktion charakterisieren, als Eigenschaften wie regulär oder kompakt?

P.S.Alexandroff und P.Urysohn (1923) gaben zwar schon mit Hilfe von Überdeckungen eine notwendige und hinreichende Bedingung. Aber diese Lösung hielt man bis in die Mitte dieses Jahrhunderts kaum für brauchbar. Heute erscheint uns dieser Satz -im Lichte des erwähnten Satzes von A.H.Stone - befriedigender.

Der Satz von A.H.Stone der Form: "Jeder metrische Raum ist parakompakt" war der Schlüssel für einen epochemachenden Metrisierbarkeitssatz von R.H.Bing (1951), J.Nagata(1950) und Yu.Smirnov (1951). Er erlaubte z.B. eine befriedigende Dimensionstheorie nun in allgemeinen - nicht mehr nur separablen - metrischen Räumen aufzustellen.

Dieser Satz von Bing-Nagata-Smirnev erschöpfte nicht die Untersuchungen, sondern regte zu weiteren Forschungen an. Auf Untersuchungen von P.Alexaudroff (1960) über das Abzählbarkeitsaxiom stützte sich Archangelski (1960). Er fand einen sehr bemerkenswerten und einfachen Metrisierbarkeitssatz.

Eine weitere Absicht dieser Arbeit ist es, zu zeigen; Der Beweis, dass diese Bedingungen hinreichend für die Metrisierharkeit sind, läßt sich in allen Füllen auf den nun als fundamental angesehenen Satz von Alexandroff-Uryson zurückführen; ähnlich wie dies D.Rolfsen (1966) für den Satz von Bing-Nagata-Smirnov durchführt. Rolfsen liefert einen direkten Beweis. Im Gegensatz dazu, glaube ich, dass die Pointe eines solchen Beweises der Nachweis der Vollnormalität ist, und eben diesen Teil kann man stets aus einem Satz über parakompakte bzw. vollnormale Räume finden...

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Definitionen und Sätze

Im folgenden sei E immer ein (nicht notwendig hausdorffscher) Topologischer Raum. A‾ sei der Abschluss von A (die kleinste abgeschlossene Menge, die A enthält) und A° sei der offene Kern von A.
Statt
 ∪ M
i∈I i 
wird im Folgenden schreibtechnisch bequemer

i∈IMi

geschrieben.

Lokalendlich

Ein Familie {Mi}i∈I von Teilmengen von E heißt lokalendlich, wenn jeder Punkt eine Umgebung besitzt, die nur endlich viele Mi (i∈I) schneidet. Also ist {Mi}i∈I lokalendlich, wenn es eine offene Überdeckung von E gibt, bei der jedes Element dieser Überdeckung nur endlich viele Mi (i∈I) schneidet.

Verfeinerung

Eine Familie {Vj}j∈J ist eine Verfeinerung der Familie {Mi}i∈I, wenn ∪j∈JVj= ∪i∈IMi und jedes Vj (j∈J) in einer Menge Mi (i∈I) enthalten ist.

Parakompakt

Ein topologischer Raum heißt parakompakt, wenn jede offene Überdeckung eine lokalendliche offene Verfeinerung besitzt.

Regulär

Ein topologischer Raum E heißt regulär, wenn folgendes gilt: Ist A abgschlossene Teilmenge von E und und x ein Punkt, der nicht in A liegt, so haben x und A offene Umgebungen, die sich nicht schneiden.

Normal

Ein topologischer Raum E heißt normal, wenn zwei beliebige disjunkte abgeschlossene Teilmengen disjunkte offene Umgebungen besitzen.

Satz

(1) Jeder parakompakte Hausdorff-Raum ist regulär.
(2) Jeder parakompakte reguläre Raum ist normal.

Stern bezüglich einer Mengenfamilie

Ist S eine Familie von Teilmengen von E, dann ist der Stern einer Teilmenge A von E bezüglich S definiert als st(A,S)=∪{S|S∈S und S∩A≠∅}. Für einen Punkt x ist st(x,S)=∪{S|S∈S und x∈S}.

Sternverfeinerung

Eine Verfeinerung B heißt Sternverfeinerung von A , wenn für alle x∈E st(x, B )∈A für ein A∈ A .

Vollnormal

(Tukey (1940), engl.: "fully normal"
Ein topologischer Raum heißt vollnormal, wenn jede offene Überdeckung eine offene Sternverfeinerung besitzt.
Satz: Jeder vollnormale Raum ist normal.
Satz: Der Umgebungsfilter der Diagonalen in der Produkttopologie eines vollnormalen regulären Raumes ist eine uniforme Struktur, die mit der Topologie verträglich ist.
Satz: Jeder vollnormale Raum ist parakompakt.
Satz (Stone 1948): Jeder pseudometrische Raum ist vollnormal, also auch parakompakt.
Satz: Folgende Aussagen für einen Raum E sind gleichwertig.
(i) E ist vollnormal.
(ii) E ist parakompakt und normal.
(iii) Jede offene Überdeckung hat eine ihr untergeordnete Partition der Eins.

σ-punktendliche Basis

Ein abzählbare Basis {Bn}n∈N heißt σ-punktendlich, wenn jeder Punkt nur in endlich vielen Bn enthalten ist.

Metrisierbarkeit

Satz: Ein toplologischer Raum ist genau dann pseudometrisierbar, wenn er vollnormal ist und jeder Punkt eine abzählbare Umgebungsbasis {Un}n∈N besitzt, die im folgendem Sinne "lokal symmetrisch" ist:
Für alle n∈N und alle x∈E gibt es eine Umgebung U von x mit der Eigenschaft: Für alle y∈U , so ist U⊂Un(y).
Satz: Ist ein Raum vollnormal und besitzt seine Topologie eine σ-punktendliche Basis, dann ist er pseudometrisierbar.