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Kilchberg   Die liebens­werte Gemeinde

Der Basler Totentanz von HAP Grieshaber

Ausstellung in der Dorfscheune

2022_03_22ausstellung In der Dorfscheune in Kilchberg wurde am Samstag, dem 27. März 2022 eine besondere Ausstellung eröffnet: Es sind dies 40 Farbholzschnitte HAP Grieshabers (1909–1981) mit dem Titel „Der Totentanz von Basel“ aus der Sammlung von Manfred Hellstern. HAP (Helmut Andreas Paul) Grieshaber lebte in Eningen unter Achalm.

Dagmar Waizenegger vom städtischen Fachbereich Kunst und Kultur führte in die Schau ein und ging auf die im Mittelalter so bekannten Reime und Bilder des Totentanzes ein. Ändert euch ist die Aufforderung, die an alle Menschen gerichtet sei: Im Tod seien alle gleich, Schultheiß und Krüppel, Soldat und Koch und all die andern, die im Leben so verschieden waren: Der Tod holt alle. Die musikalische Gestaltung der Vernissage besorgten Katja Kuhn und Ulrike Dankwardt.
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Etwa zwei Wochen später hielt Prof. Wolfgang Urban aus Rottenburg am 8.4.2022 in der sehr gut besuchten Dorfscheune eine fundierte Einführung in den Basler Totentanz von Grieshaber. Der originale Basler Totentanz entstand um 1440 von dem Rottweiler Konrad Witz. Er war auf die Innenseite der Friedhofsmauer bei der Predigerkirche gemalt worden, die 1805 nach der Verlegung des Friedhofes abgebrochen worden war.

Die Entstehungszeit war – mit Emphase schilderte dies der Referent - nicht das finstere Mittelalter, das noch durch manche Köpfe geistert, sondern eine hochentwickelte Kulturzeit, die jedoch furchtbare Katastrophen erleben musste. So wird angenommen, dass die Pestepi­demie von 1439 in Basel Anlass für die Entstehung der 60 m langen Totentanzgemäldes gewesen war. Doch auch die großen Erdbeben in Kärnten im Jahre 1348 und in Basel 1356 und die Pest von 1347-1352 waren noch im allgemeinen Bewusstsein. Drastisch stellte Prof. Urban sie in den Zusammenhang mit den Zeichen des Todes in der Pandemie in Bergamo 2020 und las die entsprechende Passage der großen Pest aus dem Decamerone, der Novellensammlung von G. Boccaccio, vor

[Die Reichen waren in einer hoffnungslosen Lage.] Die Lage der kleinen Leute und wohl auch der meisten aus dem Mittelstand war noch viel elender, da sie entweder von der Hoffnung oder von der Armut in ihren Häusern zurückgehalten wurden, mit den Nachbarn verkehrten und daher täglich zu Tausenden erkrankten und bei dem vollständigen Mangel an Pflege und Hilfe rettungslos starben. Es gab viele, die bei Tag oder Nacht auf offener Straße verschieden, viele, die ihren Geist in den Häusern aufgaben und ihren Nachbarn erst durch den Gestank, der aus ihren faulenden Leichen aufstieg, Kunde von ihrem Tode brachten. So war von den einen wie von den andern alles voll; denn überall starben Menschen. Dann verfuhren die Nachbarn meist auf die gleiche Art, zu welcher sie ebenso sehr aus Furcht, daß die Fäulnis der Leichname ihnen schaden werde, als aus Mitleid für die Verstorbenen bewogen wurden. Sie schleppten nämlich entweder selbst oder mit Hilfe einiger Träger, wenn sie solche bekommen konnten, die Körper der Toten aus ihren Wohnungen und legten sie vor den Türen nieder. So hätte, wer – zumal am Morgen – durch die Stadt gegangen wäre, der Leichen unzählige liegen sehen. Dann ließen sie Bahren kommen oder legten, wenn es an diesen gebrach, ihre Toten auf ein bloßes Brett…

Vom originalen Basler Totentanz gibt es noch einige zwanzig Fragmente, doch sind Kopien Des ganzen Werkes vorhanden, die HAP Grieshaber natürlich kannte. Sie stellte Urban in den Zusammenhang mit weiteren Totentanzdarstellungen, z. B. von Michael Wolgemut und seinem Schüler Albrecht Dürer, von einem unbekannten Maler in der 1469 erbauten Jodokuskirche in Überlingen, und viel später in einer Darstellung von Lovis Corinth 1922, ja sogar stellte Urban einen Textbezug zu Wolfgang Borcherts Heimkehrerdrama Draußen vor der Tür von 1946 her. Damit konnte er mit der hervorragenden Deutung der Holzschnitte von HAP Grieshaber beginnen, die allesamt unter dem Motto stehen: Der Tod holt alle: Von Martin Luther stammt das Lied, das alle Anwesenden – so meinte Urban – sicher kannten:

Mitten wir im Leben sind / Mit dem Tod umfangen. / Wen suchen wir, der Hilfe tu, / Dass wir Gnad erlangen. / Das bist du, Herr, alleine. / Uns reuet unser Missetat / Die dich, Herr, erzürnet hat. - Heiliger Herre Gott, Heiliger starker Gott, Heiliger barmherziger Heiland, Du ewiger Gott, Lass uns nicht versinken In des bittern Todes Not. Kyrie eleison, Christe eleison, Kyrie eleison.
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Reinhard Lüderitz dankte im Namen des Vereins Pro Kilchberg dem Referenten.