Mein Sohn machte in La Macarena, einem alten Sevillaner Arbeiterviertel,
einen Sprachkurs. Dies war für mich die Gelegenheit, ihn bei seiner
Heimreise zu begleiten. Mein Sohn war auch nicht dagegen. Denn, wenn wir
reisen, sind das immer unbeschwerte Tage,
auch wenn wir morgens noch nicht wissen, ob es überhaupt noch
einen Anschlussbus zu unserem Zielort gibt und wo wir über
Nacht bleiben können.
In einer typischen Bodega im Barrio
Santa Cruz bekommt man noch
um 23 Uhr das Menü
-Wein im Preis
inbegriffen.
Die Anreise
Ein Reiseweg von 2200 km ist schon etwas Besonderes. Den wollte ich
ausführlich mit dem Zug erleben.
So stieg ich in Rottenburg in den Zug,
und mit Umsteigen in Bad Niedernau (siehe Kasten unten), Tübingen, Stuttgart und Mannheim ging
es zuerst einmal nach Paris. Dort musste ich mit der Metro
von Paris-Est nach Paris Austerlitz. Wie man mir sagte,
ist es gar nicht schwierig, sich mit der Metro
zurechtzufinden: Am Schalter erhält man einen Plan und das Ticket.
Nun braucht man nur noch den Hinweistafeln zu folgen.
Nach ca. 30 min war ich schon am Ziel.
In Madrid und Barcelona ist es genauso einfach wie in Paris mit der Metro zu fahren.
Immer, wenn ich alleine verreise, ruft mir meine Frau oder mein Sohn nach:
Vergiss nicht: In Bad Niedernau umsteigen!
Warum?
Antwort: Bei dieser ausgeklügelten Fahrt stieg ich in Rottenburg in den Zug nach Horb - wie immer, wenn
wir Richtung Zürich fuhren. Ich erwischte sogar den vorhergehenden Zug, da ich
viel zu früh am Bahnhof war. Im Zug schaute ich nach, auf welchen Bahnsteig ich in Horb eilen musste. Zu meinem
Schrecken sah ich, dass der nächste Umsteigebahnhof nicht Horb sondern Tübingen lautete.
Ich fuhr in die verkehrte Richtung! Mir entfuhr ein Laut, den ich
hier nicht wiedergeben will. Habe ich jetzt etwa die ganze Fahrt vermasselt?
Die Mitfahrenden drehten sich erstaunt nach mir um.
In Bad Bad Niedernau (5 km hinter Rottenburg) stieg ich aus. Und: Zum Glück kam wenig später mein Zug nach Tübingen. Dort
konnte ich planmäßig umsteigen. Ab da verlief
die Fahrt einwandfrei.
In Paris Austerlitz hatte ich genügend Zeit, um
an die Oberfläche zu steigen, auf einer Seine-Brücke einen Blick
auf Sacré Coeur zu werfen und mich im botanischen Garten zu stärken.
Die Nacht über fuhr ich mit dem Schlafwagen nach Madrid. Dort ging erst um
8 Uhr die Sonne auf, als ich gerade im Speisewagen bei herrlicher Aussicht
frühstückte. Mit der Metro musste ich dann von Madrid-Chamartin nach
Madrid-Atocha-Estacion. Weiter ging's mit dem superschnellen AVE
(Zeitschriften, Getränke, Kopfhörer und Imbiss im Preis inbegriffen)
nach Sevilla.
Die 28 Stunden Hinreise waren ein lohnendes Erlebnis.
Der Torre del Oro (Goldturm) in Sevilla
Andalusien
Und nun war ich in Andalusien, das vom 8. Jahrhundert bis ins Mittelalter
(Sevilla bis 1248, Granada bis 1492) unter arabischer Herrschaft
aufblühte. Moslems, Christen und Juden lebten friedlich miteinander.
Die Mauren waren Künstler, die hervorragende Bauwerke selbst nach
der Reconquista durch die christlichen Könige schufen. Die islamische
Kunst und den Mudéjarstil kann man an vielen Orten noch bewundern.
Die Eroberer waren von dieser Kunst wohl so begeistert, dass sie
wenig davon zerstörten.
Später hieß es dann: "Der Mohr hat seine
Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen". Die Araber und Juden wurden
unterdrückt und vertrieben, was zur Folge hatte, dass das Handwerk
verkümmerte und zum Beispiel die Bewässerungen nicht
mehr funktionieren.
Sevilla
In Sevilla waren wir drei Tage im ehemaligen jüdischen Viertel Santa Cruz
mit den vielen schmuckvollen Patios
untergebracht. Es liegt direkt bei den Alcazáres. Nach drei Tagen kannte
ich mich so gut aus, dass ich allein von der Kathedrale den Weg in den
verwinkelten Gässchen zu unserer Pension
fand.
Das beste Frühstück - und dazu noch halb so teuer -
gab es allerdings im Arbeiterviertel La Macarena:
Frisch gepressten Orangensaft, Café con leche und Tostada con aceite
(arabisch-spanisch: Olivenöl) y tomate.
Das musste vorhalten, denn zu Mittag, ca. 15 Uhr, vor der Siesta, aß man
nicht allzu viel. Und das Abendessen gab's nie vor 21 Uhr.
Glanzstück der gänzlich von einer Mauer umfassten Anlage der Paläste
in Sevilla ist derAlcázar, den sich Peter der Grausame im Mudéjarstil
erbauen ließ.
StudentInnen haben übrigens freien Eintritt in die Alcazares und wo als
in den Gärten der Paläste lernt es sich besser?
Im Hintergrund auf dem rechten Bild sieht man die Giralda,
Sevillas Wahrzeichen, ehemaliges Minarett und heutiger Kirchturm
der Kathedrale.
Links: Die Giralda. Unten: Itálicá.
An einem Nachmittag machten wir einen Ausflug nach dem 10 km entfernten
Santiponce, bei der die Grabungen der römischen Stadt Italicá besichtigt
werden können.
Mein Sohn war völlig überrascht, dass es so nahe bei Sevilla
so eine wunderbare bergige Gegend gibt.
Beeindruckend ist das gut erhaltene Theater, das hier abgebildete
Amphitheater und eine alte Klosteranlage, die wir bei heißem Wetter
erwanderten.
Ronda
Ronda kann von Sevilla aus mit dem Bus erreicht werden
und ist ein Aufenthalt wert.
Wir verlängerten spontan unseren
Aufenthalt in dieser herrlichen Gegend auf zwei Tage und verzichteten auf einen
Abstecher nach Cordoba.
Eine 100 bis 180m tiefe Schlucht trennt den arabischen von dem nach
der Reconquista erbauten Stadtteil.
Am zweiten Abend war eine Prozession (siehe unten) mit begleitender
ausgelassener Fiesta.
Bei der Tombola gewannen wir mit einem Euro Einsatz drei Preise. Wir, und
noch mehr die Spanierinnen, die ihn uns überreichen durften, freuten
sich ungemein.
Links: Iglesia de Santa Maria la Mayor.
Wie so oft wurde auf das maurische Minarett nach der
Reconquista ein Glockenturm aufgesetzt.
Unten: Der malerische Garten des Don-Bosco-Hauses.
Wie wir in Ronda waren, fand gerade ein Fest zu Ehren der
Maria Auxiliara statt. Bei der Prozession zum Sonnenuntergang
trugen etwa dreißig Männer die schwere Marien-Statue
als letzte von drei Statuen über die Brücke. Die zahlreichen Zuschauer unterhielten
sich temperamentvoll mit ihren Familienmitgliedern, die sie dort trafen.
So zeigt sich die andalusische Andacht.
Zum Bild rechts: Dass sich hier die älteste Stierkampfarena befindet,
sei nur am Rande erwähnt.
Blick vom arabischen Viertel auf die Alhambra
Im Hintergrund die Sierra Nevada.
Granada
In Granada übernachteten wir zwei Mal. Die
Fiestas, die anlässlich Fronleichnam stattfanden, konnten wir
mitmachen. Wie
"Fronleichnam" gefeiert wird, bestimmt nicht die Kirche, sondern die Bruderschaften
und das
Temperament der Bevölkerung. Ein Umzug mit den schweren Statuen fand zwar auch
statt (ähnlich dem in Ronda), aber richtig gefeiert wurde in den Festzelten
mit Flamenco, Sevillanas und auch modernen Rhythmen. Dem Geklatsche
und Tanzen (eigentlich dem Stampfen
1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3
1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 ...)
konnte man sich nicht entziehen.
Die Alhambra ist eine Festung der maurischen Herrscher
oberhalb Granadas im prachtvollen islamischen Stil.
In der Alhambra: Der Löwenhof des Nasridenpalastes.
Die Abende waren lang. Das Bummeln durch die arabische Altstadt und das
Verweilen bei den Fiestas lies einen die Zeit vergessen.
Trotzdem standen wir nach der ersten Nacht
sehr früh auf. Der Eintritt in die Alhambra ist nämlich streng
reglementiert und nach den (bei der Andalusischen Bank)
im Vorverkauf erworbenen Reservierungen mussten wir spätestens um 1/2 10 Uhr im
Nasridenpalast in der Alhambra sein.
Der Höhepunkt der Reise war die Alhambra in Granada.
Wie in einem Märchen
aus 1001 Nacht.
Im Palast und Garten der Nasriden
So stellte man sich das Paradies vor.
Motto der Nasriden:
Es gibt keinen Sieger außer Allah
Der Generalife, der Sommerpalast der Nasriden, ist ein Weltkulturerbe der Uno.
Cabo de Gata-Níjar
Nach all diesen Stadtbesichtigungen, sehnten wir uns nach der Natur
und dem Strand.
Bei Almería liegt der Naturpark Cabo de Gata-Níjar. Zu diesen stillen
Buchten, Steilküsten und den naturbelassenen wüstenartigen Landschaft
wollten wir.
Wir genossen dort den Strand und machten einen Tagesausflug
bei einer erfrischenden Meeresprise durch die Wüste im Hinterland.
Auf der Fahrt nach Almería
Almería ist Spaniens Wüstenprovinz.
Sie liegt südlicher als Algier in Afrika
(siehe Karte).
Hier wurden die Italowestern wie El Dorado gedreht.
Kein Mensch konnte uns sagen, wie man von Almería
nach San José weiter kommt. Das war jedoch kein Problem. Mehrmals
täglich fahren Busse, welche die
marokkanischen Arbeiter zu der Knochenarbeit in den Gewächshäusern bringen.
Ganze Landstriche außerhalb des Naturschutzgebietes
sind hier mit Plastikplanen bedeckt. Darunter befinden sich die
"Gemüseparadiese".
Die Heimreise
Nach einer Stunde Busfahrt von San José nach Almería, stiegen wir um in
den voll besetzten Bus nach Valencia. Die vorher zu kaufenden Tickets
galten nur für den aufgedruckten Termin und die Sitznummer.
Die Begrüßung des Busfahrers
war folgende:
Es ist nicht gestattet:
Sonnenblumenkerne zu kauen,
zu essen,
zu rauchen und
die Schuhe auszuziehen!
Acht Stunden einschließlich einer halben Stunde Pause dauerte die Fahrt an der Küste entlang durch
stets bergige Landschaften von Almería nach Valencia. Ein Fernseher, bei dem
sich nur der Himmel spiegelte, und das Radio liefen lautstark.
Nach zwei Stunden roch das Klo unangenehm (nach vier Stunden wurde
das Problem gelöst).
Man muss allerdings zur Ehrenrettung der Busse sagen, dass dies eine
Ausnahme war. Die Busse in Spanien sind gut durchorganisiert
und der Fahrpreis ist unschlagbar (in Deutschland dreimal so hoch).
In Valencia bummelten wir abends durch die Altstadt und bestiegen
noch die Torres de Serranos,
Türme aus dem 15. Jahrhundert,
kratzten eine köstliche valencianische Paella
(mit Hähnchen- und Kaninchenfleisch) aus der Pfanne und übernachteten dort.
Am nächsten Tag dauerte die Busfahrt
nach Barcelona nur vier Stunden (das Radio und der Fernseher waren
relativ leise).
In Barcelona hatten wir noch genügend Zeit, mit der Metro ins
Zentrum zu fahren und die Kathedrale zu besichtigen und über
die Ramblas
zum Plaza Real zu schlendern.
Nach Zürich fuhren wir dann im komfortablen Schlafwagen. Tostada con
aceite y tomate gab's allerdings nicht zum Frühstück, dafür aber
eine herrliche Aussicht aus dem Speisewagen auf die Schweizer Berge, an deren
sattes Grün wir uns erst wieder gewöhnen mussten.