Klaus Mohr

Das Fräulein von Bühl

Oft wird noch heute über das Fräulein von Bühl behauptet, dass sie eine elende Kartenspielerin gewesen sei. Und im Tagblatt-Anzeiger vom 14.02.2018 schrieb Andrea Bachmann am Anfang einer schönen Darstellung über Bühl:

Die vermutlich berühmteste Bewohnerin von Bühl kann man im Kilchberger Schoss besuchen: Dort hängt ein Bild von einer jungen Frau in einem schwarzen Kleid, die ein Kartenspiel in der Hand trägt. Das Fräulein von Bühl ist ein Gespenst. Sie soll in einer Nacht im Schlosssaal zu Bühl ihr gesamtes Vermögen am Kartentisch verspielt haben, zu dem auch die Ortschaften Kilchberg und Bühl gehörten. Seitdem findet sie keine Ruhe mehr und geistert auf der Suche nach jenseitigen Spielpartnern durch die Gegend: „Und was ist dir noch geblieben? Nicht Bühl und Kilchberg dort drüben. Die Karten, damit du magst wandern, von einem Hause zum andern“, dichtete man im 19. Jahrhundert.

Dem muss heftig widersprochen werden. Der verstorbene kundige Bühler Ortshistoriker Albert Schick hat bereits 1996, nachlesbar für jedermann, darauf hingewiesen, dass Magdalena von Ehingen, geborene von Preising die gemeinte Person ist, die sichtbar ein schönes Handtäschle und überhaupt keine Spielkarte trägt, eher eine Wohltäterin der Armen und kein Schlossgespenst war. Von 1596 bis 1616 übernahm sie nach Auskunft des Taufregisters 46 Patenschaften von Kindern aus dem Dorf bei insgesamt 111 Geburten!

Albert Schick schreibt:

Wie Goethe zu seinen Lebenserinnerungen, so möchte man auch zu dem Gedicht vom "Fräulein von Bühl" den Untertitel wählen: „Dichtung und Wahrheit". Das Gedicht vom Fräulein von Bühl wird seit Jahrzehnten von Generation zu Generation weitergegeben, was aber ist die Wahrheit? Wer ist die Frau; die auf dem alten Bild im Kilchberger Schloß dargestellt ist, und was hält sie in ihren Händen? Durch ihr Wappen ist sie ausgewiesen als die Gattin Georgs III. von Ehingen zu Kilchberg: Frau Maria Magdalena von Ehingen, geborene von Preyßing zu Kramwinkel. Die Hochzeit der Beiden fand am 14. April 1573 statt, wahrscheinlich wurde auch das Bild um diese Zeit gemalt. Es zeigt die junge Frau, die vorher Hofdame am württembergischen Herzogshofe gewesen war, im Alter von 25 Jahren, angetan mit einem prachtvollen Festkleid und ihrem schönsten Schmuck.

Und was hält sie in den Händen? Was eben zur Festrobe gehört, nämlich ein Paar dunkle Handschuhe, deren nach unten gekehrte Finger erkennbar sind, und darum gelegt ein weiches Täschchen, dessen Rücken reich bestickt ist und das an den vier Ecken jeweils mit einer roten Quaste versehen ist. Bei flüchtiger Betrachtung erinnert die Stickerei an die Rückseite einer Spielkarte, bei genauerem Hinsehen ist aber unschwer zu erkennen, daß es sich um eine Stofftasche handelt. Im Mittelalter wurden solche Taschen auch als sagenannte „Aumonièren" benutzt, als Almosen­taschen. In Wahrheit zeigt das Bild also kein Fräulein von Bühl, sondern eine Frau von Ehingen zu Kilchberg, und aus der verschwenderischen Spielerin des Gedichts wird in Wirklichkeit eher eine Wohltäterin der Armen.

Georg III. von Ehingen und seine Gattin, deren Epitaph in der Kilchberger Kirche leider von der Seitenempore durchschnitten wird, hatten nur eine Tochter, der es nicht gelang, die Lehensherrschaft über die Hälfte von Bühl für die Familie zu erhalten. So mag man in Maria Magdalena von Ehingen immerhin die Frau sehen, die als letzte Ehingerin die Ortsherrschaft über halb Bühl innehatte, und in ihrer Tochter die Frau, die Bühl verlor, freilich nicht im Spiel, sondern in jahrelangen Auseinandersetzungen mit dem Hause Österreich.

Das Fräulein von Bühl

Im hohen Ahnensaale zu Bühl,
Da mischten gar viele das Kartenspiel;
Doch von allen spielet niemand so gut
Denn das Fräulen von Bühl, das junge Blut.

Fast all' ihr Gold und Schmuck ist dahin,
Doch bleibet betört der Spielerin Sinn.
Stets hoffet sie noch zu gewinnen,
Und - sieht ihre Habe zerinnen.

Schon wirft der Mond seinen hellen Schein
Durch des Saales Fenster mahnend herein.
Du armes Fräulein von Bühl,
Ist dir noch nicht verleitet das Spiel?

Noch nicht hat genug sie am Spiel sich ergödzt:
So lange sie hat, so lange sie setzt.
So muß denn auch noch das letzte dahin,
Das letzte bringet vielleicht den Gewinn.

Das letzte dem Spiele des Unglücks zu weihn.
Wohlauf! ruft sie in der Mitternacht,
Da sie noch wacker am Speiltisch wacht,

Herbei ihr Spieler, wer hat den Muth,
Zu spielen mit mir um mein väterlich Gut?
Seht wie mein Kilberg von dort so traut
Zum Saale von Bühl herüberschaut.

Wie betäubt durch das Wort alle Spieler steh'n,
Und keiner wagt es heranzugeh'n.
O Fräulein nimm doch dein Wort zurük,
Es raubt dir all dein irdisches Glück.

Da nahet sich endlich einer und spricht:
Gereuet mein Fräulein, das Wort euch nicht.
So wag ich's: die Güter Kilberg und Bühl,
Sind wahrlich mir als Besitz nicht zu viel.

Unglücklich des Fräuleins Karte lag -
Da naht ihr in Unheil der neue Tag.
O armes Fräulein, die Eine Nacht,
Hat dich um Gut und Erb' gebracht.

Und was ist Dir noch geblieben?
Nicht Bühl und Kilchberg dort drüben.
Die Karten, damit du magst wandern
Von einem Hause zum andern.

Ihr Fräulein, denen auch das Spiel
Mit Karten gefällt, wie dem Fräulein von Bühl,
Ich rath Euch von Herzen nach Kilchberg zu gehn,
Um dort etwas Schönes für Euch zu sehn.

Im Saale des Schlosses, da hängt eine Maid,
Noch haftet ihr Blick mit sichtbarer Freud,
Am Beutel mit dem Kartenspiel;
Das ist das bekannte Fräulein von Bühl.

Nur Schad', daß des Malers küntliche Hand
Ihr den Schmuck noch gab und das reiche Gewand,
Ein Bettlerkleid dem Fräulein gehört;
So würde vielleicht noch manche bekehrt.

Aus "Süddeuschlands Sagen" Gesammelt und herausgegeben von. J.B. Rothacker, Reutlingen Verlag Enßlin und Laiblin 1837
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