Fast 70 Kilchbergerinnen und Kilchberger ließen sich vom kräftigen Wind nicht abhalten und kamen zur von
Ortsverwaltung und Schwäbischem Albverein
angebotenen Markungs- und Kinderwanderung.
Nach der sachkundigen Einführung von
Oberregierungsbaudirektor a.D. Karl Krauß
übernahm Alt-Ortsvorsteher Erich Krauß die
Führung bei einer Tour, die teilweise quer durch den Wald entlang der Gemarkungsgrenze führte.
Dabei konnten viele Grenzsteine mit Symbolen und Wappen der Ortsherrschaften gefunden
und betrachtet werden.
Bei der zeitgleich von den Leiterinnen der
Jutaki-Gruppen organisierten Suchwanderung beantworteten 20 Kinder und Jugendliche ein Quiz mit Fragen aus der Natur und zum
Albverein.
Die Kilchberger Grenzgemarkung von 1545 ist die älteste im Tübinger Raum. Am
Sonntag luden Ortsverwaltung und Schwäbischer Albverein die Einwohner ein, sie
gemeinsam abzuwandern.
SOPHIA WISTEHUBE
Kilchberg. „Seit 1966 wohne ich nun schon in Kilchberg und habe diesen Umgang
noch nie gemacht", sagt Heribert Weber. Die Idee, erneut eine Markungswanderung
zu machen, kam ihm vor fünf Jahren bei einem Besuch der Partnergemeinde
Kilchberg bei Zürich in der Schweiz. Dort wandern die Einwohner am sogenannten
Banntag alle fünf Jahre ihre gesamte Markung ab. „Es hat mir gefallen, wie der
ganze Ort den Tag zusammen verbracht hat", erzählt er. „Vielleicht habe ich es
ja nur der Ortsverwaltung vorgeschlagen, weil ich es selbst auch mal hier in
Kilchberg machen wollte."
Vor gut zwanzig Jahren wanderten die Kilchberger schon einmal ihre
Gemarkungsgrenze ab. Damals war es der Oberregierungsbaudirektor a.D.,
Karl Krauß, der sie führte und ihnen die Bedeutung der Grenzsteine erklärte.
Seither kennen ihn in Kilchberg alle als „Stoinles" Krauß. „Keiner weiß mehr
über die Kilchberger Gemarkung als er - obwohl er nur hinzugezogen ist", sagt
sein Nachfolger und gebürtiger Kilchberger,
Erich Krauß. „Diese Steine sind sein Hobby." Vieles von dem, was er den knapp
40 Kilchbergern bei der Wanderung erzählte, habe er von „Stoinles" Krauß
gelernt.
Gerne wäre Karl Krauß auch dieses Mal mitgegangen - „aber das schaffe ich
einfach nicht mehr." Stattdessen erklärte er zur Einführung, was es mit den 25
Kilchberger Grenzsteinen auf sich hat.
Bereits 1545 wurden sie unter Georg von Ehingen verlegt und sind somit die
ältesten Grenzsteine im Raum Tübingen. Sie umschließen eine Fläche von 445
Hektar. Im 16. Jahrhundert, als Grenzen ausschließlich durch diese Steinquader
markiert waren, haben Untergänger aus den benachbarten Gemeinden zusätzlich
drei „Tonblättle" - als sogenannte Zeugen - in einem bestimmten Muster unter der Erde
angeordnet. Nur sie wussten, wo die Tonscherben lagen und was ihre Anordnung
bedeutete, so dass sie bei Verdacht auf Grenzfrevel überprüfen konnten, ob ein
Stein verschoben worden war.
Damit jeder sofort weiß, auf welcher Seite der Grenze er sich gerade befindet,
wurde das Wappen der jeweiligen Gemeinde auf der Seite, die zum Nachbarn
zeigte, spiegelverkehrt eingemeißelt.
„Im nächsten Jahr wollen wir dann auch die nördliche Gemarkung abwandern", sagt
Ortsvorsteherin Gundi Reichenmiller. „Man muss sich überlegen, ob man diese
Markungswanderungen nicht sogar zur Tradition macht."